Im Perspektivwechsel vom letzten Sonntag, bin ich auf das Thema „Jeder handelt aus seiner besten Option“ eingegangen. Dazu möchte ich euch noch eine kleine Geschichte teilen, die zeigt wie wichtig es ist, seine eigenen schmerzlichen Gefühle manchmal beiseite zu räumen und sich klar zu machen, dass der andere uns nichts böses wollte – auch wenn es sich in dem Moment für uns so anfühlt.
Stell dir vor es ist 3 Monate vor Weihnachten und die ganze Familienbande zieht ein Wichtel-Los mit dem Ziel, dass am Ende jede Person dafür zuständig ist, eine andere Person aus der Familie zu beschenken. Wer wen gezogen hat ist eigentlich geheim, damit die Überraschung größer ist.
Nun kam es aber in den vergangenen Jahren vor, dass der Mann nicht so der Geschenke-Besorger war und diese Aufgabe stets seiner Frau übertragen hat. Die Frau wunderte sich dieses Jahr daher etwas, als der Mann ganz still schweigend sein Los in die Tasche gesteckt und nichts mehr dazu zu ihr gesagt hat. Sie schloss daraus, dass er SIE gezogen hat und war gespannt.
Zudem gibt es im Wichtel-Abkommen die Regel, dass man – sollte man Wünsche an den Weihnachtsmann haben – diese in der Familien-WhatsApp-Gruppe teilen kann, um es dem jeweiligen Geschenke-Besorger zu erleichtern. Der Geschenke-Besorger ist allerdings frei darin zu entscheiden, ob er eine eigene Idee hat oder diesen Wunsch erfüllen möchte.
Die Frau teilt dort ihren Wunsch mit und verkündet kurze Zeit später, dass der Mann bereits Einsprüche gegen ihren Wunsch geäußert hat. Die Monate vergehen. Es ist zwei Wochen vor Weihnachten. Während die Frau ihre Geschenke verpackt, gibt sie dem Mann einen Hinweis wo er die Geschenkanhänger findet – falls er einen benötigt – natürlich auch um ihn nochmal zu erinnern, falls er vergessen hat, dass er noch was besorgen muss 😉
Nichts passiert. Eine Woche vor Weihnachten, wiederholt die Frau: „Falls du für dein Geschenk noch Anhänger brauchst: Du findest sie im Büro.“ Wieder passiert nichts. Die Anhänger bleiben unberührt liegen. Am Weihnachtsmorgen fragt der Mann die Frau, wo er denn die Schere findet und verzieht sich ins Büro (wo auch das Geschenkpapier lagert) und raschelt dort herum.
Und dann: die schöne Bescherung. Alle packen ihre Geschenke aus und die Frau ist enttäuscht. Ihr Wunsch wurde nicht erfüllt, stattdessen ein Massage-Gutschein. Schlimmer noch: das Geschenk war nicht einmal in Weihnachtspapier eingepackt, sondern in ganz normalen Papier für Geburtstage. Wie enttäuschend! Er hat sich echt keine Mühe gegeben. Die Frau kann tagsüber ihre Enttäuschung gut verbergen, geht aber Abends dennoch etwas frustriert und frühzeitig ins Bett.
Gefolgt vom Mann, der ebenfalls enttäuscht und frustriert ist, über den merkwürdigen Abgang seiner Frau und sich verletzt in sein Bett verzieht.
Klassischer Weihnachtsabend.
Was wäre, wenn der Mann sich dieses Jahr vornimmt, sich selber um ein Geschenk zu kümmern. Ich meine, er hätte ja auch die Kinder fragen können, ob sie eine Idee haben und es besorgen würden. Aber nein, er macht es selber. An den Wunsch in der WhatsApp-Gruppe kann er sich entweder nicht mehr erinnern – ist ja auch schon drei Monate her – oder er wollte ihn aus anderen Gründen nicht erfüllen – er hatte ja damals schon Einwände.
Da er weiß, dass seine Frau immer wieder von den Massagen schwärmt, besorgt er einen Gutschein. Und anstatt ihn einfach nur lieblos im Umschlag unter den Baum zu legen, macht er sich sogar die Mühe ihn einzupacken. Das hat er ja schon ewig nicht mehr gemacht. Er ist stolz auf sich und das Ergebnis. Hat er gut gemacht.
Und dann: die schöne Bescherung. Alle packen die Geschenke aus und die Frau wirkt enttäuscht. Eigentlich hatte er Freude erwartet. Schließlich hatte er eine eigene Idee und sie ganz alleine umgesetzt, inklusive Verpackung. Stattdessen: eine Frau, die schlecht gelaunt, frühzeitig ins Bett geht. Unverständnis und Enttäuschung nun auch auf seiner Seite.
Schöne Bescherung.
Fazit: Ganz oft sind wir so sehr mit unseren eigenen verletzten Gefühlen und unserer Perspektive beschäftigt, dass es uns schwer fällt zu sehen, dass jeder aus seiner besten Option handelt. Und das der andere uns gar nichts böses will. Vielleicht wollte er uns sogar etwas gutes tun und wir haben es gar nicht bemerkt.
Es ist eine Übungssache, die Perspektive des anderen einzunehmen und die liebevollen Dinge, in einer schmerzlichen Erfahrung zu sehen, keine Frage. Vielleicht wird es dir nicht sofort gelingen, aber es wird mit jedem Mal ein bisschen leichter.
Was hier noch mit reinspielt ist natürlich das Thema der Erwartung und Enttäuschung. Dazu ein anderes Mal mehr 😉
PS: Wenn du in einer Situation fest hängst, oder dich ärgerst und nicht weiterkommt, melde dich gerne bei mir!